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AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 29.09.2012


Die Wand - ein Film von Julian Roman Pölsler nach dem Roman von Marlen Haushofer. Jetzt auf DVD
Sonja Baude

Abgeschnitten von Menschen und auf sich selbst zurückgeworfen kämpft eine Frau einen inneren und äußeren Kampf ums Überleben, auch für ein besseres Leben. Martina Gedeck führt ihn überzeugend vor.




1963 schrieb die Österreicherin Marlen Haushofer ihren heute weitbekannten Roman Die Wand. Es ist der Bericht einer Frau, die in eine absonderliche Situation der Einsamkeit geworfen wird, eine Situation der völligen Isolation von Menschen. Eine surreale Katastrophe nötigt die Protagonistin, allein im Wald um ihr Überleben zu kämpfen und in diesem Kampf erschließen sich ihr unverhofft Räume, die ihr in der Zivilisation bislang unbekannt waren.

Vorgesehen war ein idyllischer Wochenendausflug in die Gebirgsjagdhütte eines Freundes. Als die GastgeberInnen nach einem Spaziergang ins Dorf nicht zurückkehren, macht sich die Frau am nächsten Morgen auf ins Tal, um die beiden zu suchen. Aber sie kommt nicht weit, denn eine unsichtbare Wand versperrt ihr den Weg. Sie ist gefangen in einem Stück Wald in den Bergen, eingesperrt in die Natur.. Und mit ihr ein Hund, der bald zum engsten Gefährten werden soll. Eine trächtige Kuh und eine Katze kommen hinzu. Dieser katastrophische Zustand, abgeschlossen von Menschen, führt in die absolute Introspektion, einerseits, andererseits weitet er den Blick in die Natur und damit auf das Leben, fern von menschlichen Bedingtheiten.

Nun hat der österreichische Regisseur Julian Roman Pölsler den Roman mit Martina Gedeck in der Rolle der Berichterstattenden erstmals kongenial verfilmt. Martina Gedeck brilliert in dieser Rolle. Ihre Figur oszilliert überzeugend zwischen zerstörender Depression und einer lebenserhaltenden Willenskraft. Vorgeführt wird die eigenartige Gleichzeitigkeit eines radikalen Abschieds von allem, was das bisherige Leben unter Menschen ausmachte und dem Erlernen eines neuen Blickes auf alles, was Leben in der Natur bedeutet. Um zu überleben im Gebirge, muss die Frau lernen, Sorge zu tragen, für sich und für die Tiere, für Raum und Zeit. Sie lernt zu jagen, Kartoffeln anzubauen, sie lebt in den Jahreszeiten und überlebt den Winter. Pölsler selbst hat sich viel Zeit genommen, hat zu allen Jahreszeiten gedreht und immer ist die Natur - die Tiere, die Berge und der weite Himmel - einzige und gewaltige Gegen- und Mitspielerin von Martina Gedeck.

Schon das Buch, das vielleicht als eine moderne Robinsonade aus weiblicher Perspektive verstanden werden darf, evoziert einerseits ein Gefühl kaum aushaltbarer Bedrückung und andererseits birgt es das utopische Versprechen eines beglückenden und freien Lebens in und mit der Natur. Pölsler schafft es, dieses weite Spannungsfeld im Film aufzutun, indem er beide Seinszustände nicht als sich ausschließende gegenüberstellt, sondern sie gleichberechtigt ineinanderfügt. Und so fokussiert die Kamera (Christian Berger u.v.m.) wechselweise in Nahaufnahme die beiden Protagonistinnen, die Frau und die sich ins Unendliche öffnende Natur. Die große Nähe zur Romanvorlage wird durch die überzeugende Entscheidung Pölslers gewährleistet, Martina Gedeck ausschließlich aus dem Off berichten zu lassen, die Bilder sprechen daneben eine eigene, sehr lyrische Sprache.

AVIVA-Tipp: Eine gelungene Literaturverfilmung! Der Österreicher Julian Roman Pölsler hat Marlen Haushofers Roman Die Wand knapp 50 Jahre nach seiner Veröffentlichung als Erster auf die Leinwand gebracht. Einsamkeit, Angst und Selbstvergewisserung sowie die große Utopie von einem neuen Leben stehen in diesem Film zur Disposition. Martina Gedeck verkörpert eine Frau, die sich aus einem Zustand beklemmender Erstarrung auf den Weg macht in eine unbekannte Welt. Und am Ende gibt es Zuversicht.

Die Wand
Österreich 2011
Regie & Drehbuch: Julian Roman Pölsler
DarstellerInnen: Martina Gedeck, Karl Heinz Hackl, Ulrike Beimpold, Julia Gschnitzer, Hans-Michael Rehberg, Wolfgang Maria Bauer und Luchs
Kamera: J.R.P. Altmann, Christian Berger, Markus Fraunholz, Martin Gschlacht, Bernhard Keller, Helmut Pirnat, Hans Seilkovsky, Thomas Tröger, Richi Wahgner
Schnitt: Bettina Mazakarini, Natalie Schwager, Thomas Kohler
Produktion: coop99 Filmproduktion Wien
Verleih: Studiocanal
Format: Dolby, PAL, Widescreen
Region: Region 2
Bildseitenformat: 16:9 - 2.35:1
Laufzeit: ca. 103 Min.
Bild: 2,35:1 (anamorph)
Sprache/Ton: Deutsch (Stereo Dolby Digital & 5.1 Dolby Digital) Untertitel: Deutsch für Hörgeschädigte
Extras: Interviews mit Julian Roman Pölsler und Martina Gedeck, die Deutschland-Premiere, Hörfilmfassung für Sehbehinderte, Trailer, Wendecover mit alternativem Artwork
FSK: Freigegeben ab 12 Jahren
DVD-Start: 16. Mai 2013
www.diewand.studiocanal.de



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Beitrag vom 29.09.2012

AVIVA-Redaktion